#Solidarität

Shownotes

Was passiert, wenn Migration nicht als Herausforderung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern als Triebfeder für die Demokratisierung der Demokratie verstanden wird?

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Es geht auch anders! Visionen für eine Migrationspolitik der Zukunft lädt lud das Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. zum Gespräch mit Prof. Dr. Manuela Bojadžijev und Dr. Bernd Kasparek ein.

Prof. Dr. Manuela Bojadžijev ist Professorin für Migration in globaler Perspektive am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität. Neben konzeptionellen, methodologischen und epistemischen Fragen der Migrationsforschung interessiert sie sich für den »Streit um Migration« in Migrationsgesellschaften und dafür, wie in und durch Repräsentationen von Migration und Flucht gesellschaftlicher Wandel erzählt, gelebt und ausgetragen wird. Gemeinsam mit der Autorin und Publizistin Carolin Emcke hat sie das „Archiv der Flucht" kuratiert.

Prof. Dr. Bernd Kasparek ist Assistenz-Professor für programmierbare Infrastrukturen an der Delft University of Technology. Im Rahmen seiner Forschungen zur Regierung post-nationaler Räume hat er ausgiebig zum europäischen Grenzregime geforscht. 2021 erschien sein Buch „Europa als Grenze" im transcript Verlag. Er ist im Vorstand des Rats für Migration.

Beide leiten die Abteilung „Soziale Netzwerk und kulturelle Lebensstile" am Berliner Institut für Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität zu Berlin. In den letzten drei Jahren forschten sie im Projekt „Transforming Solidarities". Im Rahmen des Projekts „Praktiken und Infrastrukturen in der Migrationsgesellschaft" untersuchten sie im Labor Berlin in den Bereichen Arbeit, Wohnen und Gesundheit transdisziplinär alte und neue, entstehende Formen der Solidarität.

Moderation: Geraldine Mormin, unsere Kollegin aus Sachsen-Anhalt, hat die gesamte Reihe moderiert und mitkonzipiert, sie stellt immer genaue Fragen und bringt es auf den Punkt! Wenn auch Du möchtest, dass diese Visionen Realität werden, müssen diese Inhalte ein breiteres Publikum erreichen. Abonniere deshalb unseren Podcast, teile den Link zur Folge mit Deinen Freunden und Deiner Familie usw.! Jeder Klick hilft! Wenn Du weitere Folgen hören möchtest, findest Du alle unter „Es geht auch anders!“ in jedem Podcast-App Deiner Wahl oder auf Heimatkunde.de, dem migrationspolitischen Portal der Heinrich-Böll-Stiftung. Zu unserer Reihe „Es geht auch anders! Visionen für eine Migrationspolitik der Zukunft“: Migration wird oft als Krise diskutiert und die Debatte immer mehr von rechts vereinnahmt. Doch es geht auch anders! Unsere neue Podcast-Reihe zeigt Alternativen und entwirft Visionen für eine Migrationspolitik der Zukunft. Ab 27. März überall, wo es Podcasts gibt!

Music Credits: „Quasi Motion“ by Kevin MacLeod (siehe: https://freemusicarchive.org/music/Kevin_MacLeod/Global_Sampler), Source: Free Music Archive, License type: CC BY.

Eine Veranstaltungsreihe des Heinrich-Böll-Stiftungsverbunds der Landesstiftungen Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und der Bundesstiftung.1. Aufzählungs-Text

Transkript anzeigen

Speaker 1 Es gibt natürlich immer diese Frage nach Ja, aber dann das ist ja schön und gut, wenn wir das jetzt öffnen, aber dann kommen ja alle. So geht ja immer das Argument. Und das stimmt historisch aus Migrationsforschung Sicht einfach nicht, sondern man kann immer zeigen, immer wenn die. Wenn die Migrationssysteme restriktiver geworden sind, dann zieht paradoxerweise. Aber es ist so die Migration, die dann polarisiert ist sowas, die zieht noch mal an und immer dann, wenn die Migration weniger restriktiv gestaltet wird, dann gibt es vielleicht noch mal einen kurzen Schub, dass mehr Leute kommen. Aber dann pendelt sich das auch normalerweise ein. Und das sind die paradoxen Effekte von von Migrationspolitik. #: 7#

Speaker 2 Hallo und herzlich willkommen zu. Es geht auch anders. Visionen für eine Migrationspolitik der Zukunft Das ist der Podcast zu unseren Online Veranstaltungsreihe aus 2024, also vor der Bundestagswahl. Dass diese Themen und diese Visionen heute aktueller denn je sind, macht uns traurig. Aber gleichzeitig ermutigt es uns, weiter daran zu arbeiten. Ich bin Carmen Romano und ich darf hier sprechen für den Heinrich Böll Stiftung Verbund der Landesstiftung, den in Baden Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein Westfalen, Sachsen Anhalt, Schleswig Holstein und der Bundesstiftung. Wir sind also viele. Grenzen töten, Menschen werden kriminalisiert, Kommunen sind überfordert. Das Thema Migration ist viel diskutiert und klar. Es gibt viele Herausforderungen. Das möchten wir nicht kleinreden. Häufig ist aber die Debatte sehr polarisiert und wird von rechts vereinnahmt. Viele Missstände wie die Folgen der Klimakatastrophe und des demografischen Wandels, prekäre Wohnsituation oder Fragen zur Arbeit und Mobilität betreffen eigentlich alle Menschen in unserer Gesellschaft, nicht nur Migrantinnen, und sind bestimmt nicht von Migrantinnen verursacht. Wir diskutieren mit unserer Reihe Gegenwärtige Krisen im Hinblick auf Alternativen. Unser Blick zeigt, wie es gehen könnte und bereits an vielen Orten geht. Wir setzen restriktive Migrationspolitiken und rechten Diskursen, konkrete Visionen einer solidarischen Gesellschaft entgegen. Welche Zukunftsvisionen, welche Ideen, welche Praxisbeispiele für eine menschenrechtsorientierte Migrations und Asylpolitik gibt es? Wie schön, dass du dabei bist. Hoffentlich hörst du alle fünf Folgen, wo wir mit tollen Expertinnen diese Fragen anhand der Überschriften Grenzen, Solidarität, Genderarbeit und Aktivismus besprechen. Viel Spaß beim Zuhören und Mitdenken, denn es geht auch anders. #: 0#

Speaker 3 Herzlich willkommen! Einen schönen guten Abend an Sie alle, auch von mir. Ich freue mich sehr, dass wir alle hier sind, dass Sie sich dazu gehalten haben, dass Sie Manuela und Sie, Bernd Kasparek, dass Sie heute unsere Gäste sind. Zu unserer zweiten Ausgabe von. Es geht auch anders. Visionen für eine Migrationspolitik der Zukunft Zum Thema Solidarität. Ich bin gerade in Bochum. Ich arbeite bei der Heinrich Böll Stiftung in Sachsen Anhalt und ich werde sie uns durch den durch die nächste Stunde durch diese Veranstaltung als Moderation begleiten. Genau. Das ist wirklich eine sehr große Freude, dass Sie beide auch sich bereit erklärt haben, hier mit uns zu sprechen, uns von Ihrer Arbeit, Ihren Thesen zu erzählen. Frau Professor Dr. Manuela Bojew, Sie sind Professorin für Migration in globaler Perspektive am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt Universität in Berlin. Und Sie interessieren sich wahrscheinlich unter vielem anderen in Ihrer Arbeit für den Streit um Migration in Migrationsgesellschaften und auch dafür, wie in und durch Repräsentation von Migration und Flucht gesellschaftlicher Wandel erzählt, gelebt und ausgetragen wird. Und Sie, Professor Dr. Bernd Kaspar. Sie sind Assistenzprofessor für programmierbare Infrastrukturen an der Delft University of Technology. Ich habe gelesen, Sie sind Kulturanthropologe und Mathematiker, und unter anderem liegen Ihre Forschungsschwerpunkte auf Grenzen und auf digitalen Infrastrukturen. Sie haben auch dazu ein Buch 2021 veröffentlicht Europa als Grenze. Genau. Und Sie beide leiten die Abteilung Soziale Netzwerke und kulturelle Lebensstile am Berliner Institut für Migrationsforschung der Humboldt Universität und forschten in den letzten drei Jahren im Projekt Transforming Solidarity. Und das gibt ja jetzt schon ganz viel Stoff zu hören. Was verbirgt sich dahinter und genau? Es ist wunderbar, dass Sie uns heute einen Einblick in Ihre Gedanken und Forschungen zu Solidarität und Migration geben werden. Wie verabredet. Ich habe einige Fragen mitgebracht, aber genau ist die Einladung, dass Sie zu Anfang einfach mal das Wort ergreifen in einem kleinen Input und uns reinholen in Ihre wichtigsten Thesen, in ihre Vision. #: 6#

Speaker 4 Ja, vielen, vielen herzlichen Dank. Ich freue mich sehr, oder Wir beide freuen uns sehr natürlich, dass das wir eingeladen wurden und würden gerne Lina Tietze und Ihnen für den Moment gerne danken. Wir wollen auch Gloria Albrecht danken, die im Hintergrund sitzt und die wir aus einem anderen Zusammenhang, nämlich an der Uni, kennen und freuen uns wirklich ganz besonders, heute Abend mit Ihnen dreien diese Veranstaltung zu machen und über das zahlreiche Publikum. Ich sage ganz kurz was zu dem Projekt, das Sie gerade benannt haben, nämlich Transforming Solidarity. Und im Hintergrund, um auch erklärbar zu machen, warum wir den Begriff der Solidarität im Verhältnis zu Migration eigentlich so wichtig finden und warum? Ja, warum das in Hinblick auf eine. Sie haben das Vision genannt, man könnte auch sagen ein Horizont für die Zukunft angesichts der aktuellen Wahlergebnisse vielleicht darstellen kann. Okay, also vor vielen Jahren haben wir die Arbeit aufgenommen in diesem Projekt. Das wird finanziert durch die Berlin University Alliance. Das ist der Zusammenschluss der drei Berliner Universitäten mit der Charite zusammen. Und die Ausschreibung ist erfolgt in einem Call für soziale Kohäsion, also gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und wir haben uns als Konsortium, das eben über diese vier Institutionen hinweg existiert und das interdisziplinär organisiert ist. Und nur um das deutlich zu machen Wir haben Leute aus der Sozialpsychologie, wir haben Architektinnen, wir haben Philosophinnen, wir haben Kulturanthropologen, Soziologinnen. Das Zentrum für Antisemitismusforschung, also eine Mischung an Hintergründen disziplinärer Art, aber auch inhaltlicher Art, und wir haben diesen Begriff der sozialen, des sozialen Zusammenhalts, einen anderen Begriff quasi entgegengesetzt als ein juristischer Begriff, also einen, den wir untersuchen wollen, nämlich den der Solidarität. Und unter Solidarität verstehen wir zunächst mal ganz einfach gesprochen etwas, das einerseits sich verändert, also Solidarität verändert sich in unseren Gesellschaften heute. Und umgekehrt ist es auch so, dass Solidarität aus unserer Perspektive eine transformierende, also eine verändernde Kraft in einer Gesellschaft ist. So, und in diesem doppelten Verständnis wollten wir jetzt eben untersuchen wie und was sind eigentlich solidarische Praktiken? Aber eben nicht nur Praktiken, sondern eben auch Institutionen und Infrastrukturen. Und ich sage nur ganz kurz was warum wir das beides so betonen. Das hat sehr viel damit zu tun, dass wir eben keinen Solidaritätsbegriff haben, der jetzt unmittelbar auf nur solidarische Praktiken abzielt, sondern wir fragen uns Wie kann in einer Gesellschaft Solidarität verstetigt werden und reproduzierbar gemacht werden? Und dafür gibt es natürlich eine Reihe von historischen Beispielen, wie zum Beispiel ganz banal, wenn man so will, eine Gesundheitsversorgung, ja eine Gesundheitsversorgung, von der man natürlich jetzt streiten kann, wie solidarisch die im Moment aufgestellt ist in unserer Gesellschaft, aber die ihrer Anlage nach doch zumindest so ist, dass man sagt okay, es gibt. Es gibt diese Vorstellung, dass alle in einer Gesellschaft gesund sein können müssen und das kann nur gemeinschaftlich, das heißt in Solidarbeziehungen gestaltet werden. Und wenn wir jetzt hier einmal einen Punkt machen und sagen, wir leben in einer Gegenwart, die im allgemeinsten Sinne jetzt beschrieben werden kann unter globalen Bedingungen, ja, dann bedeutet das ja sehr konkret eine Reihe von Veränderungen, denen die Gesellschaft, in der wir leben, ausgesetzt ist. Das heißt zum Beispiel die Fragen, denen sich Bernd auch sehr stark widmet, nämlich der Digitalität, aber natürlich auch der Migrationsgesellschaft. Und wenn wir sagen, Praktiken und Infrastrukturen der Migrationsgesellschaft, für die wir Solidarität untersuchen wollen, dann bedeutet das, dass wir nicht davon ausgehen können, dass es in Deutschland eine Bevölkerung gibt, die als solche immer gleich zusammengesetzt ist, sondern historisch wissen wir natürlich, dass sie sich immer neu zusammensetzt und dass das mit mit Migration zu tun hat, das heißt Abwanderung und Zuwanderung. Und da gibt es eine Reihe von Fragen. Wenn wir davon ausgehen, dass Migration keine Ausnahme darstellt, sondern ein Kontinuum ist. Und wenn das so ist und historisch, müssen wir konstatieren, dass es so ist, dann müssen wir uns fragen Wie stellen wir denn unsere Gesellschaft zukünftig so auf, dass wir solidarisch auch mit denen sind, die die zukünftige Gesellschaft sind und auch die aktuelle? Und dass in Hinblick auf Praktiken konkrete Praktiken, aber eben auch im Hinblick darauf, dass Solidarbeziehungen verstetigt, institutionalisiert und reproduzierbar sind. So, das war die Ausgangsfrage für unser Projekt. #: 7#

Speaker 3 Vielen Dank für diesen Einblick. Das ist ja wirklich. Ja, in meinem Kopf rattert das können Sie noch mal vielleicht konkret, vielleicht ein paar Beispiele nennen, wo Sie das, also welche institutionellen oder Institutionen oder Infrastrukturen, welche Praktiken untersuchen Sie und haben Sie schon Ergebnisse? Können wir was verstetigen? #: 0#

Speaker 1 Also auch von mir noch mal vielen Dank für die Einladung und der Frage zu den Ergebnissen und Praktiken. Also für uns ist ganz wichtig zu sagen, dass wir das ja eigentlich nicht Migrationspolitik für sich erforschen, sondern wir immer grundsätzlich davon ausgehen, so wie das Manuela gerade schon gesagt hat, dass Gesellschaft grundsätzlich von Migration geprägt ist. Und deswegen sind wir jetzt in unseren Forschungen nicht rausgegangen und haben versucht, die konkreten Beispiele für Migrationsgesellschaft zu suchen und dann quasi aufs Tablett zu heben und darüber irgendwas zu sagen, sondern wir sind einfach grundsätzlich davon ausgegangen, wir gehen in die Gesellschaft, wir schauen uns an, wo es gerade fehlt und wo es gerade rumpelt und schauen, was sich dort eigentlich schon für neue Praktiken gebildet haben und was daraus für Infrastrukturen entstehen könnten. Weil leider müssen wir ja auch konstatieren, dass es nicht immer so ist. Also ein Beispiel, mit dem wir uns recht ausführlich beschäftigt haben, war zum Beispiel die Organisierungsversuche von Lieferarbeitenden also, die man auf den Straßen von Berlin eben sieht, weil sie entweder Essen oder Supermarktartikel ausliefern und die versucht haben, sich zu organisieren. Gewerkschaftlich. Was natürlich interessant ist, weil sozusagen also die Krankenversicherung ist ja ein historisches Beispiel für eine Solidarität. Und natürlich die gewerkschaftliche Organisierung ist eigentlich so das andere Moment in der der gesellschaftlichen Organisierung, die ganz wichtig war und die unsere Gesellschaft ja sehr stark geprägt hat, also auch im Sinne von Sozialdemokratie und anderen Bewegungen. Und dort hat sich eben aber gezeigt, das ist gar nicht so leicht, es sich in diesem Bereich zu organisieren, weil es eben verschiedene Faktoren gibt, die das, die das erschweren. Da können wir jetzt zum Beispiel auf die Digitalisierung verweisen. Das ist nämlich eine ganz andere Arbeitgeberinnen Arbeitnehmerinnen Beziehung plötzlich gibt, weil die einfach nur noch über eine App läuft. Da gibt es im Moment von Globalisierung und Venture Capital, also, dass diese, diese Unternehmen, diese Start ups sich eigentlich sehr schnell über die ganze Welt ausgebreitet haben und das deswegen im totalen Kontrast zu einer Serie lokalen Organisierung zum Beispiel in Berlin steht. Also das sind ganz andere, unterschiedliche Bedingungen, unter denen das passiert. Und was wir eben aber auch herausarbeiten konnten, ist, dass die Frage von Aufenthaltstitel, also Migration in Recht gegossen, eine total wichtige Rolle spielt, weil sehr viele von den Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, entweder mit sehr prekären Studentenvisa dort hier sind oder mit anderen Formen von Aufenthaltstitel, die wirklich also sehr wenig Absicherung bieten. Das wäre genau der Moment, wo wir sagen müssten, da müssten wir eigentlich reingehen und dort müssten sich neue Infrastrukturen etablieren, die dann eben auch eine neue Form von gewerkschaftliche Organisierung möglich macht, die aber so genau auf die Umbrüche in der globalen Wirtschaft, die wir in den letzten 20, 30 Jahren gesehen haben, reagiert. Wir könnten das ganze Beispiel auch noch an der Willkommenskultur aufziehen, aber ich glaube, das zeigt schon mal unser Verhältnis zu der Frage der Migration als eine gesellschaftliche Frage und nicht als eine Frage, die von Gesellschaft zu trennen wäre und deswegen auch diese der Einsatz von uns zu sagen. Solidarität ist noch mal ein anderer Modus von Vergesellschaftung als die Gesellschaft, der gesellschaftliche Zusammenhalt, der so oft beschworen wird. #: 9#

Speaker 3 Vielen Dank. Auf der Oder in dem Projekt und auf der Homepage von Transforming Solidarity. Da findet sich ja auch die Berliner Erklärung in Verteidigung der Migrationsgesellschaft. Und da gibt es so einen Absatz über den Hass im Gegenspiel zur Solidarität. Und zwar steht da Das Problem ist, dass Migration instrumentalisiert wird, um Gesellschaft zu spalten. Dies forciert die derzeit erlebbare Zuspitzung gesellschaftlicher Debatten und die Überlagerung von Solidarität und Hass. Und jetzt haben wir auch die Europawahl und die Kommunalwahlen in einigen Bundesländern steckt uns in den Knochen und im Körper. Wie schätzen Sie gerade, vielleicht auch aus Ihrem Ihrer Forschungsperspektive die gesellschaftliche Situation zurzeit ein und vielleicht auch noch als Ergänzung, wenn sie sich mit Solidarität beschäftigen als gesellschaftliches Phänomen. Warum ist denn Hass gerade erfolgreicher als Solidarität? Und stimmt das überhaupt? #: 1#

Speaker 1 Ja, das ist eine komplizierte Frage. Ich möchte einmal kurz zurückgehen und kurz noch mal was zu der Berliner Erklärung sagen, weil sie ja doch in einem starken Zusammenhang einfach mit dem passiert steht, was jetzt am Wochenende passiert ist. Wir hatten die letztes Jahr im Oktober auf unserer Abschlusskonferenz von unserem Projekt, die das passenderweise auch Solidarität in der Migrationsgesellschaft hieß, die Konferenz diese Erklärung veröffentlicht, weil wir den Eindruck hatten, dass es keine richtige gesellschaftliche Debatte darüber gab, über die migrationspolitischen Vorschläge, die eigentlich das ganze Jahr über gemacht worden sind. Und Vorschläge ist jetzt natürlich so ein bisschen neutral ausgedrückt. Wir haben das ja leider alle miterleben müssen, dass eigentlich seit dem Frühjahr und dann über die Frage der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, aber dann eben auch über den ganzen Sommer hinweg plötzlich alles zur Disposition gestanden ist, was man als migrationspolitische und migrationsrechtliche Errungenschaften vor allem hätte bezeichnen konnte. Und das ist ja wirklich gar kein Halten mehr gab, und das sieht man zum Beispiel ja auch sehr klar gerade an der Frage, dass man ja also noch mal zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems gesagt hat Das ist jetzt notwendig, das muss getan werden, um den Durchmarsch der Rechten zu stoppen. Aber wir sehen ja heute schon, dass also nicht nicht nur die Rechten, sondern auch Konservative wie zum Beispiel die CDU ja schon längst gesagt haben Nein, das reicht nicht mehr, was wir da damals verabschiedet haben und was Europa jetzt in den nächsten Jahren umsetzen wird, sondern man muss schon viel weitergehen Und weitergehen bedeutet eben eigentlich die totale Auslagerung des Rechts auf Asyl in Drittstaaten. Das heißt, das wollten wir damit zum Ausdruck bringen, dass wenn und wir haben das ja erlebt schon öfter, leider in der Geschichte der Migration in Deutschland und Europa. Wenn diese Diskussionen einmal so anfangen und dann diese zugespitzten und oftmals ins Rassistische reichende Argumente kommen, dann gibt es kein Halten mehr. Und deswegen war uns das so wichtig, mit der Berliner Erklärung da einmal zu versuchen zu sagen Stopp! Wir müssen da anders drüber reden, weil die Folgen von so einer Diskussion sind wirklich, wirklich gefährlich. Und das ist genau das, was wir jetzt leider am Wochenende ja auch erleben mussten dass es wieder ganz bestimmten Kräften, also Parteien wirklich am rechten Rand vor allem und europaweit eigentlich Stimmen zugetrieben zu haben, an Stimmen gewonnen. Und das hat ganz konkret was mit diesen Debatten zu tun, die ja nicht nur in Deutschland, sondern leider in ganz Europa auf irgendeine Art und Weise geführt werden. #: 2#

Speaker 4 Ich kann das vielleicht mit einer Metapher ergänzen. Nur ganz kurz ist es also Uns kam es in dem Moment so vor, als würden alle Türen geöffnet werden in Bezug auf die auf einen. Rechte und rechtsextreme Kräfte. Und das Gegenteil wurde behauptet. Es wurde gesagt, wenn wir diese Türen öffnen bzw die Grenzen schließen, dann haben wir den rechten Kräften, dann haben die uns nichts mehr entgegenzusetzen und deswegen werden sie dann auch nicht mehr gewählt werden. Und wir haben immer dagegengehalten. Wir haben aus der Perspektive der Forschungsergebnisse und der Befunde der letzten 20, 30 Jahre dagegengehalten. Es wurde dagegengehalten auf einer politisch strategischen Ebene, es wurde kommunikativ dagegengehalten, es wurde gesagt, die Leute wählen lieber das Original. Und man kann jetzt schon sagen, mit der Wahl hat sich das erwiesen. Und es ist aber in gewisser Weise auch, oder wir empfinden das so zu spät. Der Versuch, diese Erklärung zu schreiben und die haben ja 3000 Leute auch unterschrieben, war noch mal zu sagen, wir kriegen da vielleicht noch eine gesellschaftliche Diskussion hin. Wir müssen konstatieren, dass es nicht gelungen ist. Und wir sind jetzt wirklich an dem Punkt, wo wir Tatsächlich unter diesen Bedingungen und unter diesen massiv politisch erschwerten Bedingungen auch das auf eine neue Weise erfinden müssen? #: 2#

Speaker 3 Und haben sie aus, wenn sie mit der Solidaritätsbrille auf die Aktualität gucken, also was Sie gesagt haben, ein Gesundheitssystem, eine Gewerkschaft, das sind ja also sehr gute Sachen. Warum ist, ja, warum ist das so wenig attraktiv? Warum, wie Sie sagen, wird darüber nicht gesprochen. Warum konstatieren Sie jetzt vielleicht Es gibt keine gesellschaftliche Vision von Solidarität? #: 9#

Speaker 4 Ja, das hat ja jetzt jemand auch ihn getestet und gefragt Wo bleiben da die Visionen? Ganz klar, wir sind noch nicht an diesem Punkt. In der Diskussion, würde ich sagen. Erst mal versucht, eine Bestandsaufnahme zu machen Was haben wir in dem Projekt gemacht? Was ist die Ausgangssituation? Wir haben. Wo haben wir versucht zu intervenieren, wo stehen wir jetzt? Und wir haben dann seitdem eben angefangen, auch viel darüber nachzudenken. Das haben wir auch vorher schon getan, wie wir eigentlich da jetzt weitergehen könnten. Das ist jetzt keine Antwort auf Ihre Frage. Warum wird es nicht gesehen? Ich würde sagen, es gibt eben eine sehr, sehr starke Akzeptanz von von Rassismus und Antisemitismus im Moment. Es gibt auch eine sehr starke Renationalisierung der Gesellschaft und wir müssen tatsächlich auch noch ein bisschen abwarten, wie sich das formiert. Aber man sah das schon lange kommen und man hat das natürlich auch in einer Reihe von Manifestationen schon während der Pandemie beobachten können, da, wo sich das so angefangen hat, wirklich sehr stark auszubreiten. Aber wir haben natürlich diese Kräfte auch schon viel länger, nur werden die jetzt eben massiv verstärkt und wir haben es auch auf einer europäischen Ebene mit einer Situation zu tun, wo die sich gegenseitig bestärken. So und nicht nur in Europa und tatsächlich ja auch sehr gut organisiert sind untereinander. Und wenn wir jetzt zu den Visionen kommen, was ich, glaube ich, sehr gerne tun würde, dann geht es uns, glaube ich, darum zu sagen wir müssen jetzt eine sozusagen ergänzt Orts oder gegen alle Versuche, migrationspolitisch das restriktiv zu handhaben, müssen wir jetzt eigentlich eine Diskussion eröffnen darüber, wie das anders gehen kann. Und aus unserer Sicht ist das etwas, was notwendig ist auf allen Ebenen, die die Migration betrifft, und zwar sowohl in Bezug auf die Ankunft als auch in Bezug auf das Leben in dieser Gesellschaft. Und wie können wir das, wenn wir jetzt mal sagen, das sind alles Fragen der Grenze der Grenze, sowohl nach außen europäisch als auch der nationalen Grenzen wie auch der unterschiedlichen Grenzen, in denen innerhalb der Solidarbeziehungen, in den Arbeitsverhältnissen, in den Gesundheitsverhältnissen, im Wohnen, in der Bildung etc. Grenzen durchzogen werden. Wie können wir diese Grenzen demokratisieren? Ich glaube, das ist erst mal so das Allgemeine Statut. Von dort aus müssen wir ausgehen, und wir haben dann eine Reihe von Überlegungen dazu angestellt. Willst du vielleicht da weitermachen? #: 2#

Speaker 1 Ja, ich würde noch mal kurz zu der Frage Warum wird es nicht gesehen und warum kommt das nicht? Also das ist jetzt natürlich ein bisschen banal, wenn ich sage, das hat was mit Geld zu tun, das auch einfach fehlt, aktuell aber aus einer infrastrukturellen Logik und ich glaube, das verstehen ja sehr viele Leute, ist es, ist es so, dass diese Investments absolut notwendig sind? Alle Leute, die mit der Deutschen Bahn fahren, müssen verstehen, dass da, dass es richtig gewesen wäre, über die letzten 20, über die letzten 30 Jahre beständig einen vielleicht gar nicht so großen Geldbetrag in den Erhalt des Schienennetz Werkes zu stecken, damit man heute rechtzeitig ankommen kann, also ohne Verspätung. Und das ist eben sehr oft das Problem mit solchen Infrastrukturen, dass die eben nicht aufgebaut werden, weil das erstmal sehr viel Geld kostet und danach würde ich mal sagen, relativ langweilig ist, wenn die einfach funktionieren. Ich meine, das sollen Infrastrukturen ja, die Bahn soll wirklich eigentlich langweilig sein in dem Sinne, dass sie vorhersehbar ist in dem Sinne ist, dass man ankommt, wann es einem versprochen worden ist. Und wir haben das in der Migrationspolitik überhaupt gar nicht. Also wenn wir uns überlegen, was Willkommensstrukturen, Infrastrukturen sein könnten, also Infrastrukturen der Solidarität, der tatsächlichen Solidarität, dann sehen wir eigentlich, dass wir die über die letzten Jahre immer wieder auf und abbauen, auf und abbauen, auf und abbauen. Das haben wir 2015 gesehen, wo auch wirklich sehr viele Menschen sich sehr solidarisch engagiert haben und wirklich diese Infrastrukturen aus dem Nichts und von unten quasi aus dem Boden gestampft haben. Nur dass die dann 2016 2017 wieder alle weggenommen worden sind. Langsam, weil wie gesagt, man muss da immer wieder kleinere oder auch größere Geldbeträge investieren, um die zu erhalten, auch wenn es sich nicht sofort umsetzt. Und dann haben wir 2022 die Situation, dass wir wieder eine große Flucht nach Europa haben. Und wieder sind diese ganzen Infrastrukturen nicht da und müssen wieder in harter Arbeit aus dem Boden gestampft werden, nur um dann nach einem Jahr wieder angegriffen, diffamiert zu werden. Und das wäre genau der Punkt, wo wir sagen müsste eigentlich noch mal fragen was braucht es wirklich für Infrastrukturen des Ankommens, die langfristig gebaut werden? Und das hat unserer Meinung nach sehr viel mit vor Ort zu tun, also Kommunen oder eben auch Städte wie Berlin, die diese Infrastrukturen haben müssen. Und weil wir ja aus der Perspektive gekommen sind, uns nicht nur die Migration und die Bewegung, die aktuellen Bewegungen der Migration anzuschauen, sondern immer zu fragen Was hat das mit Gesellschaft zu tun? Sieht man eigentlich sehr schnell, dass die Fragen, die Migrations Ankommens Infrastrukturen aufwerfen, total viel damit zu tun haben, was auch alle möglichen anderen Leute, die vielleicht schon lange hier sind oder die vor kurzem gekommen sind, eigentlich umtreibt Bezahlbarer Wohnraum, Zugang zu Bildung, Zugang zu Kinderbetreuung, auch wirklich so banale Sachen wie Schwimmbäder und Büchereien. Deswegen sagen wir immer, wenn eine Investition in diese Migrationsinfrastrukturen ist, nicht eine Priorisierung von bestimmten Gruppen, die gerade ankommen, sondern da haben alle was davon, wenn es mehr Schwimmbäder, wenn es mehr Büchereien, wenn es mehr Kindergartenplätze, wenn es mehr Bildung und besseres Volkshochschul und Uniprogramm gibt. Also da haben alle was davon. Die Migration zeigt das nur sehr, sehr deutlich, dass es aktuell fehlt und dass es wieder gebaut werden muss. #: 5#

Speaker 4 Genau. Und sie zeigt eben auch, welche Verwerfungen entstehen, wenn das nicht gemacht wird, weil eben die Stigmata. Die Erklärung dafür, warum das nicht funktioniert, dann häufig rassistische Erzählungen sind, die den Personen zugeschrieben werden, die dann angeblich dafür verantwortlich sind, dass die Ressourcen nicht ausreichen. Und wir denken, eine solidarische Perspektive darauf würde ja bedeuten. Okay, es gibt. Es gibt einen Mangel an an diesem Zugängen und an dem an Wohnraum. Nehmen wir zum Beispiel. Natürlich erklärt uns die AfD. Das liegt daran, dass es zu viele Einwanderer gibt. Aber wir könnten die Frage anders stellen und sagen Wie wollen wir denn den Wohnraum anders organisieren? Und offensichtlich ist es ja nicht immer auch nur eine Frage an Zunahme von Bevölkerungszahlen, Manchmal ist es tatsächlich auch eine Abnahme von Bevölkerungszahlen. Das heißt, die Frage ist immer die Wie organisieren wir das anders und wie profitieren alle davon, wenn Migration funktioniert und wie können wir das maximal demokratisch von den Grenzen bis hin zu den Aufenthaltsbedingungen und dem Staatsbürgerschaftsrecht organisieren? #: 1#

Speaker 3 Vielen Dank. Haben Sie vielleicht so ein konkretes Gedankenspiel? Sie haben ja auch die Wichtigkeit unterstrichen vom Lokalen, die Kommunen. Und Sie sagten gerade auch wenn wir das zum Beispiel Zusammenleben in Bezug auf knappen Wohnraum anders organisieren. Haben Sie Ideen, Visionen, Träume? So an einem Beispiel Wie könnte denn so solidarischer Wohnraum oder solidarische Kinderbetreuung solidarische Ankunftsorganisation aussehen? #: 4#

Speaker 1 Also wir haben es uns in verschiedenen Aspekten angeschaut. Ich kann jetzt nur einmal das Beispiel von Gesundheitsversorgung nennen, weil auch wenn man sagen kann, das ist eigentlich das Feld, wo sich quasi Solidarität eh schon institutionell und infrastrukturiert hat, ist es ja doch allen klar. Manuela hat das ja am Anfang auch gesagt, dass es da auch knirscht darin. Also das ist der Punkt, den wir ja auch darin unterstreichen wollen, dass es ja nicht reicht, diese Infrastrukturen immer aufzubauen und sie dann so weiterlaufen zu lassen, wie sie einmal sich gedacht worden sind, sondern es braucht da natürlich auch immer ein Engagement, also auch Forderungen an diese Infrastrukturen, anders zu werden, inklusiver zu werden oder sich auch einfach anders aufzustellen. Und wir haben mit einem Projekt hier in Berlin sehr stark zusammengearbeitet in unseren Forschungen, dem Gesundheitsgesundheitskollektiv in Neukölln, die das eben versuchen, eine andere Form von Gesundheitsvorsorge zu praktizieren, die jetzt nicht hundertProzentig klinisch ist, sondern sondern die sagt na ja, das sind. In den Krankheitsbildern verschränken sich ja schon auch soziale Alle Indikationen, die dazu kommen. Und wie müsste man eigentlich darauf reagieren? Also was für eine Art von Institution jetzt nicht von Krankenhaus, sondern von Gesundheitszentrum, Braucht das eigentlich vor Ort, was darauf reagieren kann? Also wie können wir Gesundheitsvorsorge in einer Art und Weise denken, dass sie eben auch eine Vorsorge vor Armut oder vor rassistischer Ausgrenzung ist, Also verschiedene Faktoren, die eben einfach zu psychischen und physischen Krankheitsbildern beitragen? Das wäre für uns so ein Beispiel, was eigentlich auch dann teilweise von der Bundespolitik aufgegriffen wurde, weil es ja schon auch klar ist, dass wir unsere Gesundheitsversorgung anders organisieren müssen. Das wäre so ein Beispiel, wo so eine ganz. So eine Solidarität auf einer sehr praktischen und alltäglichen Ebene reinkommt. #: 3#

Speaker 4 Genau diese praktischen und konkreten Ebenen müssen natürlich tatsächlich ergänzt werden durch kulturelle Veränderungen. Das ist ganz klar nicht. Wir sind jetzt nicht naiv und sagen okay, da eine Schraube hier eine Schraube, sondern das ist tatsächlich ja auch so, dass wir gesellschaftlich zur Kenntnis nehmen müssen und dann tatsächlich aber auch tun müssen, was Tatsache ist, nämlich dass es Migration gibt. Und historisch, können wir zumindest aus der Migrationsforschung sagen, ist die nicht aufgehalten worden, indem man noch mehr Restriktionen eingebaut hat, noch mehr Mauern gebaut hat usw. Wir sehen jetzt auch gerade, dass auf einer internationalen Ebene Migration zu einem zu einer Form wird, sich gegenseitig zu erpressen. Alle diese Punkte können natürlich verändert werden, wenn wir grundsätzlich anders mit Migration umgehen. Unser Plädoyer besteht nur darin zu sagen, da es sowieso stattfinden wird. Warum fangen wir nicht einfach mal an, das nicht als Ausnahme zu sehen, die irgendwie immer gemanagt werden muss, sondern als eine Tatsache, die stattfindet und mit der wir dazu beitragen können, unsere Gesellschaften zu demokratisieren, anstatt sie zu entdemokratisieren. Und dazu gehört auch und das ist natürlich noch mal ein Thema für eine eigene Veranstaltung, aber dazu gehört auch, diese Diskussion über Migration nicht in rassistischen Begriffen zu führen. #: 9#

Speaker 3 Klar. Was würden Sie denn eine Person antworten, die Ihnen vielleicht zuhört und sagt Ja gut, das ist ja alles schön und gut. Ich möchte auch ein tolles Gesundheitszentrum in meinem Kiez haben. Gibt es aber leider nicht. Und die Zeiten sind hart, oder? Ich habe eigene Probleme und ich kann mir jetzt so Solidarität auch einfach nicht nicht leisten. Beziehungsweise vielleicht sagt auch eine andere Person Ich würde ja gerne, aber wie Sie ja auch aufgezeigt haben, das Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Was würden Sie diesen beiden Positionen denn antworten? #: 5#

Speaker 1 Total gute Ausdifferenzierung bei der ersten Person. Würde ich natürlich oder würden wir natürlich antworten, dass es das ist konkrete Vorteile hat, sich solidarisch zu engagieren und dass diese Person höchstwahrscheinlich eben schon sehr oft von solidarischen Systemen profitiert. Sie haben jetzt die Krankenversicherung natürlich angeführt. Einmal. Aber es gibt ja ein ganzes Solidarsystem, was sich, was gebaut wurde in Deutschland und auch in anderen europäischen Staaten und wovon? Also was man sich eigentlich überhaupt gar nicht vorstellen will. Also die Vorstellung, keine Krankenversicherung zu haben, weil man sagt, diese das Geld spare ich mir lieber. Also das verstehen ja auch alle Leute, dass das ein totaler Trugschluss ist. Es ist natürlich immer die Frage eher, wie kann man dann diese Infrastrukturen finanzieren und sie überhaupt mal ins Leben bringen. Das heißt, da muss man schon einmal übers Geld reden. Ich glaube, wir müssen das gesellschaftlich über dieses Geld reden, das ja tatsächlich vorhanden ist. Europa ist immer noch einer der reichsten Kontinente auf dieser Welt. Es geht nicht darum, den einzelnen Leuten zu sagen Ihr müsst jetzt dafür zahlen, sondern das ist die Frage Was wollen wir uns als Gesellschaft eigentlich leisten, um gemeinsam besser leben zu können? Und das ist eine Diskussion, denke ich, die wir unbedingt mal führen müssen, so die zweite Position. Ich würde gerne, aber was wir ganz oft gesehen haben, ist in unseren Forschungen, dass es diese Erweckung so nicht gibt, sondern. Oftmals befinden sich Personen genau in so einer Situation, wo sie das Gefühl haben Boah, ich stehe eh schon mit dem Rücken zur Wand oder kurz vor dem. Also sich sozusagen nicht bewegen können und dann sagen Tatsächlich komme ich jetzt hier nur mit Solidarität raus. Also das ist nicht, das ist sozusagen der große Wurf ist, dass man sich überlegt, ähm, vielleicht muss ich es noch mal ganz anders machen, sondern das ergibt sich tatsächlich sehr oft intuitiv, weil es ja auch die historische Erfahrung gibt, dass Solidarität eben sehr oft ausgeht von oder sich bildet in Situationen, wo Personen wirklich fast nichts mehr zu verlieren haben. Und zu sagen okay, da hilft uns die Solidarität raus. Und ich glaube, das unterscheidet dann eben auch genau diese beiden Positionen, was sich ja interessanterweise auch mit der Forschung so zum Wählerpotenzial von rechten und rechtsradikalen Parteien ergänzt, dass nämlich eigentlich dieser der Diskurs Ich will nicht was abgeben, ich will nicht noch was verlieren eigentlich Mittelklassediskurses und dort ja eigentlich sich das Wählerpotenzial von rechten Parteien vor allem ergibt und deswegen genau diese differenzierten Antworten auf diese beiden Seiten notwendig sind. #: 9#

Speaker 3 Ja, super, vielen Dank. Danke Ihnen. Ja, da kommt auch schon die erste Frage im Chat und es wäre auch so mein Punkt gewesen, mal überzuleiten. Genau an Sie alle Zuschauenden. Es wird gefragt Wie geht gesellschaftliches Reden im Parlament, Bürgerräten oder im lokalen Kiez? Sie hatten ja auch diese Frage, also so eine tolle Frage aufgeworfen Was wollen wir uns als Gesellschaft eigentlich leisten? Dass wir darüber sprechen müssen als Gesellschaft? Genau wie? Wie geht das? Wie und wo? #: 8#

Speaker 4 Die Antwort wäre natürlich überall möglichst viel. Und ich glaube aber tatsächlich, dass es eine Arbeit am Anfang ist. Also bevor. Also das Reden muss ja zum Ziel haben dazu andere Konzepte und bessere Konzepte zu entwickeln. Und das bedeutet, dass es sehr viel Kleinarbeit ist, in Hinblick auf alle Bereiche der Gesellschaft, Alle Bereiche, in denen Daseinsvorsorge, in denen gesellschaftliche Reproduktion solidarisch organisiert werden müssen, müssen bestimmt werden, und sie müssen bestimmt werden in Hinblick auf die Fragen nach der Migrationsgesellschaft. Das sind Fragen des Zugangs, aber es sind auch Fragen nach Rechten, sowohl politischen als auch sozialen Rechten. Und man muss dann sehr genau klären, welche umfassen die alle und was bedeutet das für den jeweiligen Bereich? Wir beide sind natürlich jetzt nicht die perfekten Spezialisten für die Frage der Gesundheitsversorgung, auch wenn wir das als Beispiel gebracht haben. Das hängt natürlich damit zusammen, dass wir jetzt über vier Jahre mit Kolleginnen und Kollegen gearbeitet haben, die da drin sind und von denen einiges dazu gelernt haben. Aber wir können das natürlich für andere Bereiche sagen. Aber wenn wir es zum Beispiel in Hinblick auf die Frage des Zugangs zu zur Frage des Asyls zum Beispiel nehmen. Da könnte man ja sagen, na ja, da kann man ja auch anfangen an sehr konkreten Beispielen, nämlich der Massenzustrom Richtlinie, die angewandt wurde auf die Flüchtenden aus der Ukraine. Man kann natürlich an diesem Beispiel relativ gut zeigen, dass das gut funktioniert hat. Ja, und dass dieses relative gut funktionieren etwas sein könnte, was man jetzt als Beispiel nehmen kann, um Und das sagen ja auch sehr viele, wir sind da gar nicht die einzigen, wo man sagen kann, okay, das könnte man ja mal irgendwie großmaßstäblich irgendwie ausbauen und und organisieren. Und das gleiche gilt natürlich für andere Fragen. Ja, also natürlich gibt es sind da Fragen der Übersetzung und der Übersetzungsfähigkeit. Sind die Fragen danach zu organisieren wie wird Schulbildung organisiert usw. Und bei Ihrer ersten Frage und ich finde, das ist wirklich wichtig zu verstehen und auch in Hinblick auf die Frage, die jetzt gerade gekommen ist was kann, was können einzelne tun? Einzelne können natürlich immer sehr viel tun, und sie können vor allen Dingen an den Orten, an denen sie wirken, darüber nachdenken, wie das funktioniert. Ich glaube, was wir als was, was ein Missverständnis wäre, wäre zu sagen also, wir würden nicht aus dieser Veranstaltung rausgehen und denken, dass Migration im Grunde eine Solidaritätsfrage ist, also dass es darum ginge, dass wir mit Leuten, die hier ankommen oder die hier leben, als manchmal 3. 04. Migrationsgesellschaft Generation, dass wir da die Vorstellung haben, da gibt es irgendwie so was wie eine homogene deutsche Gesellschaft, und die müsste mit diesen Leuten solidarisch sein. Das glauben wir nicht. Das ist ja unser Begriff der Migrationsgesellschaft, dass wir von Anfang an davon ausgehen, dass unsere Gesellschaft gar nicht anders existiert, als durch Migration geprägt zu sein. Und wir haben ja jetzt nicht ohne Grund eine Diskussion darüber, dass es Fachkräftemangel gibt, so wird das genannt. Das bedeutet schlicht und einfach, dass wir jetzt unter Bedingungen eines eines Erstarken rechter Politiken und rechtsextremer Kräfte zum Teil natürlich auch schauen müssen. Wie funktioniert das eigentlich zukünftig mit der Arbeit, wenn es nicht genug Arbeitskraft gibt? Und wir haben diese Diskussionen gehabt, nachdem die Correctiv Recherche rauskam. Und natürlich wäre es da interessant gewesen, einmal zu gucken, wie ist das eigentlich, wenn die Leute, die alle, also in Berlin zum Beispiel 24 % Ausländeranteil, noch mehr mit Migrationshintergrund, das ist eine substanzielle Zahl an Personen. Also wir reden da von einem Viertel, manchmal sogar in manchen Generationen. Kommt darauf an, wo man hinguckt von der Hälfte der Gesellschaft. Nee, also das ist ja Quatsch zu denken, dass irgendwie da noch eine deutsche Gesellschaft existieren würde. Wir reden da schon von Verhältnissen, die ganz anders gelagert sind. Und wenn, wenn man jetzt einmal anschaulich machen könnte, dass für zwei Stunden alle diese Leute nicht mehr arbeiten und einmal die Arbeit niederlegen würden, dann würde man ja in dieser Gesellschaft glaube ich, relativ schnell verstehen, wie viel da dran hängt, dass es Leute gibt, die das tun. Und dann würde man auch ein Gefühl dafür kriegen, dass es nicht ein Wir und Die sind, sondern dass sich die Frage als eine gesellschaftliche Frage stellt. Und dann bedeutet es eben für die Einzelnen, jeweils dahin zu wirken und auch zu dieser kulturellen Veränderung beizutragen. Aber noch mal zurück an den Anfang von dem, was ich gesagt habe Wir sind nur am Anfang, das auszuarbeiten. Das sind sehr konkrete Vorschläge, die da ausgearbeitet werden müssen, die zum Teil auch schon existieren. Und an denen muss weiter gearbeitet werden, um dann zu einer kohärenten, progressiven Migrationspolitik zu kommen. #: 3#

Speaker 3 Danke schön. Ja, also eine Solidarität. Nicht für andere, für Dritte oder für irgendwelche armen Menschen, die anders sind, sondern Solidarität mit uns selbst. Wenn ich so. #: 6#

Speaker 4 Ja, das war auch in der Geschichte der Migration nicht anders. Aber das ist noch mal eine lange andere Geschichte. #: 8#

Speaker 3 Na klar, es kam noch die die Frage in den Chat, ob sie auch noch mal andere Beispiele von Infrastruktur nennen können als die Krankenversicherung, die solidarisch gelungen historisch vielleicht auch nicht. Erinnere mich am Anfang des Gesprächs. Haben Sie auch die Gewerkschaften erwähnt? Genau. Gibt es noch andere? Also, um auch diesen Begriff was ist eigentlich eine Infrastruktur noch mal praktischer zu machen? #: 5#

Speaker 1 Gut, also ob man jetzt Gewerkschaften schon als Infrastruktur bezeichnen will, ist jetzt eine Frage. Es sind natürlich unglaublich wichtig, weil sie in ganz bestimmte Aushandlungsprozesse, die unglaublich wichtig sind in der Gesellschaft, also wie soll Arbeit bezahlt werden? Natürlich ermöglichen. Und das macht natürlich schon so einen infrastrukturellen Charakter auf, die darin kommt. Aber wir könnten ja auch noch mal auf die ganze Frage von Pflege verweisen, die in der Gesellschaft, also die ja auch eine stark diskutierte Frage ist. Und ich bringe das vor allem auch deswegen nochmal auf, weil auch da sich noch mal so stark zeigt, wie das mit Migration und mit mit ganz bestimmten Formen der Migration verknüpft ist. Also die Frage von einer alternden Gesellschaft, in der vermehrt Pflegekräfte notwendig sind, stellt schon die Frage eigentlich Wie lässt sich das auf eine infrastrukturelle Art und Weise organisieren, dass alle Zugriff auf diese Infrastruktur haben, weil die ja offensichtlich für alle Menschen früher oder später, meistens später notwendig ist? Und das wäre, würde ich sagen, eine Diskussion, die wir dazu einmal stellen müssen. Und dann ergeben sich sofort ganz viele Fragen, die da durchkommen. Also man kann ja jetzt zum Beispiel dann das Modell favorisieren, dass wir auf der ganzen Welt jetzt Pflegekräfte anwerben. Oder man könnte ja dem auch noch mal entgegenstellen und sagen na ja, gut, aber es gibt ja dieses Ausbildungssystem in Deutschland, was ja auch eine Form von Infrastruktur ist, auf das wir ja doch eigentlich recht stolz sind und das man ja Ausbauen könnte. Wo man eben nicht sagt Na ja, wir holen uns so just in time, wann immer wir es brauchen, Arbeitskräfte aus dem aus dem Ausland. Sondern wir sagen Na gut, aber wie lässt sich das eigentlich mit bestehenden Formen der Migration schon zusammendenken und nicht gegeneinander denken? Und das bedeutet jetzt ist es jetzt nicht nur ein reiner Plädoyer für den Spurwechsel, sondern wirklich auch zu sagen Na gut, aber wir haben diese Ressourcen, wir haben diese Infrastrukturen, wieso nutzen wir die nicht, um eben auch diesen Aspekt von Gesellschaft noch mal ganz anders zu organisieren? Und ich glaube, das, da spitzt sich das. Ich möchte jetzt nicht noch mal wiederholen, was Manuela gesagt hat, aber das spitzt sich die Frage von Demokratie eben zu, weil sich ja auch aktuell zeigt, dass die rechten und extrem rechten Regierungen in Europa nicht per se ein Problem mit Migration haben. Also in Italien ist die Einwanderung von Fachkräften unter der faschistischen Ministerpräsidentin Meloni zu angewachsen. In Griechenland lässt sich das ganz ähnlich beschreiben. Es geht nicht um die Frage von Migration, sondern es geht um die Frage von Hierarchisierung, also davon, welche Personen unter welchen Rechten arbeiten und im Land anwesend sein dürfen und wie wird man sie wieder los? Und deswegen ist es die Frage von Demokratie. Weil wenn wir anfangen, Gesellschaft in das Schreiben von mehr oder weniger Rechten zu unterteilen und wir eben weil das ja absolut stimmt, gar nicht sagen, so eine klare Linie durch die Gesellschaft ziehen können, wie das immer suggeriert wird, dann ist das natürlich das Ende der Demokratie, weil die Demokratie postuliert, ja, also einen starken Anspruch von Gleichheit und aber mit so hierarchisch hierarchisierten Migrationsrechten fangen wir an, die Demokratie in ja aufzugeben und zu zerhackstücken. Und das ist das Problem, was wir darin sehen. #: 5#

Speaker 4 Genau in Bezug auf das haben ja jetzt einige Leute auch im Chat der Wohnungsbaugesellschaft Frage des Eigentums, des Land Eigentums usw angesprochen. Das ist natürlich genau richtig. Wir sind ja jetzt also zumindest wir drei in Berlin. Es gab ja den Vorschlag auch der Vergesellschaftung von Wohnen und diese Frage ist es ja auch unterbunden worden. Also es gab den Volksentscheid und dem ist nicht nachgekommen und worden und es ist einfach nicht weiter diskutiert worden. Und die wie auch immer man dazu steht. Das ist aber trotzdem ja natürlich eine Frage, die deswegen wichtig ist und aus unserer Sicht eben eine Frage auch der Migrationspolitik wichtig ist, weil diese Frage natürlich insgesamt die Frage nach der Verteilung stellt. Die eine ist, wenn wir sie nicht rassistisch beantworten wollen und wenn wir darüber nachdenken wollen, wie zukünftige Bevölkerungen Zugang dazu haben wollen. Eben neu gedacht werden muss eben auch unter diesen Bedingungen von Migrationsgesellschaft, weil sonst denken wir immer in festen Ressourcen, in einfachen Budgets und wir wissen ganz genau, dass das nicht das ist nicht der Fall ist. Ja, es gibt nicht eine einfache Ressource und ein einfaches Budget. Natürlich ist es in Bezug auf andere Fragen anders gelagert und deswegen ist es auch keine allgemeine Antwort, sondern sie muss für jeden gesellschaftlichen Bereich neu gestellt werden. Und sie muss sich natürlich unter den gesellschaftlichen Bedingungen der Transformation, wie wir sie gerade erleben und wie wir sie zum Teil ja auch noch gar nicht abschätzen können, was aber eigentlich auf uns zukommt, muss sie auch neu wieder verändert werden. Aber wir brauchen eine grundsätzliche Haltung dazu, dass wir das überhaupt tun wollen. Das existiert im Moment nicht und wir können nicht darüber reden. Und wir können auch nicht darüber anfangen, konkrete Politiken auszuarbeiten, wenn es nicht eine grundsätzliche Anerkennung dessen gibt, dass Migration Teil dieser Gesellschaft ist. #: 2#

Speaker 3 Vielen Dank. Schön, wir sind schon so ein bisschen im Abschluss der Veranstaltung. Genau da kommt schon einer. Hier ist die Frage nach der Zahl der Migration und eventuell ihrer Steuerung nicht banal im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit von Solidarsystem. Ich brauche in einer Krankenkasse ja auch ein gelungenes Verhältnis von Leistungserbringern, zum Beispiel Berufstätigen und Leistungsempfängern, zum Beispiel über 80-jährige. Können Sie dazu beide noch Ihre Gedanken teilen? #: 3#

Speaker 1 Da gibt es mir natürlich ein ganz einfaches Argument. Wissen wir, das demografisch die Migration ja jung ist im Vergleich zu der Gesellschaft in Deutschland schon. Das heißt, da ließe sich jetzt. Es ist jetzt nicht mein mein Lieblingsargument, weil es natürlich so eine sehr sich sehr stark an Nützlichkeitserwägungen orientiert. Aber man muss schon auch einmal festhalten und das, finde ich, sollte mehr zur Kenntnis genommen werden, dass also aus Wirtschaftsforschungskreisen oder auch sehr konkret aus der Arbeit von der Arbeitgeberseite und eben auch von Expertinnen und Experten, die sich eben mit diesen Solidarsystem beschäftigen, schon sagen, Also da werden ja ständig Zahlen aufgerufen, die sind eigentlich unglaublich. Also da heißt es, Deutschland braucht eine. Also ein Land in Europa braucht eine Einwanderung von 3 bis 4 100.000 Personen pro Jahr für die nächsten 50 Jahre, um die Demographie zu stabilisieren. Also das sind schon wahnsinnige Zahlen eigentlich, die so weit weg von der seehoferischen Obergrenze sind, wo man sagt, wieso wird diese Diskussion eigentlich nicht geführt? Und dann gibt es natürlich vielleicht das ist jetzt eine Unterstellung, aber vielleicht habe ich es auch richtig gehört. Es gibt natürlich immer diese Frage nach Ja, aber dann das ist ja schön und gut, wenn wir das jetzt öffnen, aber dann kommen ja alle, so geht ja immer das Argument. Und das stimmt historisch aus Migrationsforschung Sicht einfach nicht, sondern man kann immer zeigen, immer wenn die. Wenn die Migrationssysteme restriktiver geworden sind, dann zieht paradoxerweise. Aber es ist so die Migration, die dann polarisiert ist und die zieht noch mal an und immer dann, wenn die Migration Weniger restriktiv gestaltet wird. Dann gibt es vielleicht noch mal einen kurzen Schub, dass mehr Leute kommen, aber dann pendelt sich das auch normalerweise ein. Und das sind die paradoxen Effekte von. Von Migrationspolitik, die, glaube ich, einfach ganz viel damit zu tun haben, dass auf elementarer Art und Weise da überhaupt nicht versucht wird, eine Form von Demokratie zu etablieren in dem Sinne von, dass eine Politik gemacht wird, in der die Personen, die davon betroffen sind, auch eine Mitspracherecht haben. Und deswegen erzeugt das immer diese komischen Effekte. Und es erzeugt aber auch immer, dass sehr viele Leute denken, sie können quasi mitreden. Also wir sehen es ja auch, der auf der bundespolitischen Ebene, da darf jetzt, da darf ein Finanzminister, da darf ein Justizminister, da darf irgendein ehemaliger Gesundheitsminister dürfen irgendwelche Sachen sagen, die sich angeblich total logisch und total bodenständige Migrationspolitik anhören. Aber wo wirklich man aus Migrationsforschung sperspektive sagen muss das ist totaler Quatsch, Also man soll das nicht machen und deswegen wäre es total wichtig, diese ganzen auch wirklich historischen Beispiele noch mal stärker in Kenntnis zu nehmen. Nicht nur, weil die zum Ausdruck bringen, dass viele von diesen Projektionen, was Migrationspolitik machen kann oder bewirken kann nicht stimmen, sondern auch, weil es glaube ich noch mal unterstreichen würde, ein besseres Verständnis dafür, wie in wie fern unsere Gesellschaften schon immer von Migration geprägt worden sind. Und ich hätte mir das zum Beispiel zur Europawahl auch noch mal gewünscht, dass wir auch noch mal stärker daran erinnern, dass dieses ganze Projekt, es wurde jetzt auch immer noch mal ja gezeigt in den Zeitungen, welche Vorteile Europa gebracht hat. Man müsste aber wirklich mal daran erinnern, dass Europa, also die Europäische Union, natürlich ein Produkt auch ist von Migration auf diesem Kontinent, die nicht verhindert wurde, sondern die sogar gezielt gefördert und erwünscht war, weil man gesagt hat, das ist die einzige Art und Weise, wie man Frieden und wirtschaftliche Prosperität auf einem Kontinent, der sich 500 Jahre lang bekriegt hat, herstellen kann. Und das einfach noch mal ein bisschen lauter zu sagen und zu sagen Wir haben wirklich gesagt, die Grenzen müssen runter, die Arbeitnehmerfreizügigkeit muss her. Ich darf als EU Staatsbürgerin Staatsbürger in einen anderen Mitgliedsstaat ziehen. Ich muss da nicht einmal um Erlaubnis bitten, sondern ich darf mich da einfach niederlassen und eine Arbeit aufnehmen. Und das hat etwas erzeugt, was in der Geschichte der Menschheit vielleicht auch ein bisschen einzigartig ist. Und das hat was mit Migration zu tun. Aber man muss da anders drüber reden. Dann fangen wir auch an, dieses Gespräch, was wir so dringend in unserer Gesellschaft brauchen, anders zu organisieren. #: 6#

Speaker 3 Ja. Vielen Dank. Dankeschön. Ich würde gerne noch eine letzte Frage so dranhängen, auch aus dem Chat, weil natürlich auch wir im Stiftungsverbund der Heinrich Böll Stiftung Politische Bildung ist unsere, unser Geschäft, unsere Aufgabe. Genau. Vielleicht haben Sie noch ein paar Gedanken zu der Frage Welche Bedeutung hat für Sie politische Bildung im Zusammenhang mit einer solidarischen Migrationsgesellschaft. Und siehe da Gedanken, Ideen, Aufträge. #: 9#

Speaker 4 Sehr viele. #: 2#

Speaker 3 Ja. #: 9#

Speaker 4 Na ja, ich meine politische Bildung. Oder sagen wir mal, Bildung ist auch unser Auftrag an den Universitäten. Und da versuchen wir eben genau das zu tun, in dem wir Migrationsforschung betreiben und Seminare dazu machen, um auch viel an Sachlichkeit in das Thema reinzubringen und an historischen Tatsachen usw. Für die politische Bildung ist es, glaube ich, sehr, sehr wichtig, sich aktuell der Situation anzunehmen, dass viele im Moment das Gefühl haben, dass sie verlieren und dass wir alle verlieren, wenn wenn wir keine solidarischen Wege finden miteinander. Und das sind dann sehr konkret auszuarbeitende, wenn man so will. Ich glaube, so wird in der politischen Bildung gesprochen, Module und bestimmte Workshops usw und das ließe sich für die Migrationspolitik natürlich auch machen. Man kann natürlich anfangen in der politischen Bildung eben alle dieses, was wir im kleinen Maßstab und wirklich auch nur explorativ machen konnten, zu gucken. Was sind eigentlich die vielen, vielen Praktiken auf der konkreten, alltäglichen Ebene der Menschen, in denen sie dazu beitragen, dass Migration anders gelebt wird als Migrationspolitik uns das glauben machen möchte? Und ich glaube, das wäre ein großer, großer Beitrag und auch eine gegenseitige Versicherung der Menschen untereinander, dass sie das überhaupt schon tun. Ein Vorschlag. #: 5#

Speaker 3 Aber ich schreibe schon Satz für Satz mit. Genau. Herr Caspar, haben Sie noch was dazu zu legen? Zur politischen Bildung. #: 8#

Speaker 1 Gar nicht sehr viel, glaube ich. Für mich ist es, muss man sagen, das hat dann natürlich auch viel noch mal damit zu tun, noch mal die historische Dimension einfach, das hatte ich ja schon gesagt, auch Politik aufzunehmen. Und mir wäre es schon auch wichtig, noch mal darauf hinzuweisen, dass das ist natürlich eine sehr dunkle und gewalttätige Seite immer schon gegeben hat. Und ich finde diese von Migrationspolitik, also die 90er Jahre, der ganze Streit um den Asylkompromiss, die Mordanschläge, die dem gefolgt sind, die Anschläge des NSU, der ja des Nationalsozialistischen Untergrunds, die auch daran rausgekommen sind. Ich finde, auch daran müssen wir noch mal erinnern, weil ganz konkret diese Politiken und diese Rhetoriken, die jetzt eben wieder verstärkt hochkommen, zu vielfachen menschlichen Leids und Tod geführt haben. Und das dürfen wir nicht vergessen, weil das, glaube ich, auch noch mal motiviert, warum wir uns jetzt und genau jetzt dafür einsetzen müssen, dass es sich die Geschichte so nicht wiederholt, sondern dass wir noch mal, auch wenn es unwahrscheinlich gerade aussieht, die Biegung kriegen. #: 8#

Speaker 3 Super, Vielen Dank. Vielen Dank Ihnen beiden. Es kam ja auch schon im Chat Danksagungen und da kann ich mich sehr anschließen. Es wurde geschrieben. Vielen Dank für eine Stunde Ausblick auf eine solidarische Gesellschaft. So ging es mir auch, so, dass ich so Bilder gekriegt habe durch sie, wie es auch sein könnte. Und auch der Dank für die Stärkung der Sicht auf Migration als Normalität. Und ich würde vielleicht auch noch mal daneben legen. Danke Ihnen auch für diese Idee der Solidarität. Nicht als etwas, was, wenn ich großzügig bin oder ich es mir leisten kann? Oder wenn es mir passt oder ich aus dem Vollen schöpfe, ich für andere tue, sondern dass es etwas ist, was mir hilft. Gerade dann, wenn es mir am schlechtesten geht. Und auch unsere Reihe zu Visionen der Migration für die Migrationspolitik der Zukunft geht Auch weiter geht es mit der dritten Ausgabe weiter. Da treffen wir uns mit Professor Dr. Helen Schwenken. Da ist Gastgeberin, die Stiftung Leben und Umwelt der Heinrich Böll Stiftung in Niedersachsen. Und wir werden uns unter dem Stichwort Gender über Visionen zur Migrationspolitik unterhalten. #: 2#

Speaker 2 Herzlichen Dank fürs Zuhören, wenn auch du möchtest, dass diese Visionen Realität werden, müssen diese Inhalte ein breiteres Publikum erreichen. Abonniere deshalb unseren Podcast. Teile den Link zu Folge mit deinem Freundinnen und deiner Familie usw. Jeder Klick hilft. Wenn du weitere Folgen hören möchtest, findest du alle unter. Es geht auch anders. In jedem Podcast App Deine Wahl oder auf Heimatkunde de dem migrationspolitischen Portal der Heinrich Böll Stiftung. Der Link findest du wie immer in den Shownotes und auch live geht es weiter, voraussichtlich ab Mai. Das Programm unserer Live Online Diskussionen findest du im Bildkalender ebenfalls in den Shownotes. Bis zum nächsten Mal und bleib solidarisch. #: 0#

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